Historie der Aidshilfe Bielefeld e. V.
Im August 1985 gründeten Mitarbeiter*innen der Drogenberatung, der Pro Familia und schwule Männer die Aidshilfe Bielefeld e.V. und starteten mit einem zweistündigen ehrenamtlichen Beratungsangebot in der Woche.
In der Anfangsphase bestimmten widersprüchliche Informationen, Angst und Panik die öffentliche Diskussion über diese neue Infektionskrankheit HIV. Der Abbau von irrationalen Ängsten und der Kampf gegen Zwangsmaßnahmen und (Mehrfach-)Diskriminierung spielten im Alltag des Vereins eine große Rolle.
Die Grenzen der Medizin – es gab keine Behandlung, keine Heilung und keine Schutzimpfung – eröffneten der Prävention ein weites Aktionsfeld. Es wurden Aufklärungsaktionen mit und für schwule Männer, Drogengebraucher*innen und sexualpädagogische Seminare für Jugendliche entwickelt und in die Tat umgesetzt.
In den späten 80-er Jahren haben wir unsere Beratungs- und Präventionsangebote dem wachsenden Bedarf entsprechend ausgebaut.
Youthworker*innen informieren seit 1988 Jugendliche über die Themen HIV/Aids, Liebe Freundschaft und Sexualität. In den Veranstaltungen werden Informationen vermittelt und sich mit Einstellungen, Erfahrungen und moralischen Werten auseinandergesetzt.
Die Selbsthilfe hatte es anfangs nicht leicht in der ostwestfälischen Provinz. Der Schock, den ein positives Testergebnis auslöste und die Angst erkannt zu werden, trieb viele Betroffene in die Isolation. Doch der Mut und die Beharrlichkeit einiger Aktivist*innen führte dazu, dass die Selbsthilfe Anfang der 1990er Jahre boomte – mit Selbsthilfegruppen und dem Café Positiv in der alten Aidshilfe am Adenauerplatz.
1994 startete die aufsuchende Arbeit für drogenabhängige Frauen in der Straßenprostitution mit den Schwerpunkten Gesundheitsfürsorge, Überlebenshilfe und Gewaltprävention. Die Beratung der Streetworkerinnen wendet sich mittlerweile an alle Frauen, die auf dem Straßenstrich tätig sind.
Seit Mitte der 90er Jahre verbessern sich die Behandlungsmöglichkeiten stetig. Die Lebenserwartung von Menschen mit HIV und Aids ist erheblich gestiegen und ihre Lebensqualität hat sich deutlich verbessert. Die Medikamente müssen jedoch lebenslang eingenommen werden. Eine Heilbehandlung gibt es bislang nicht. Unsere Angebote haben sich entsprechend gewandelt.
Das Herzenslust-Team der Aidshilfe Bielefeld geht seit 1995 in die schwule Szene und informiert - auf dem CSD und anderen Events, auf Partys, in Lokalen und anderen Treffpunkten - über HIV und andere sexuelle Infektionen. Meistens wird die Botschaft in einer schrillen Aktion präsentiert, um die Aufmerksamkeit des Publikums zu gewinnen. Aufgeklärt wird über Kondomgebrauch, Schutz durch Therapie, Syphilis und andere sexuell übertragbare Infektionen, PEP (Postexpositionsprophylaxe) und vieles mehr.
2005 startete das Sozialprojekt Tierpension in Trägerschaft der Aidshilfe. Die Beschäftigungsmaßnahme in Bielefeld-Jöllenbeck bietet langzeitarbeitslosen Menschen mit und ohne HIV die Möglichkeit, sich in artgerechter Tierpflege zu qualifizieren und ihre Potentiale zu fördern, um die Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern.
Menschen, die über ihre HIV-Infektion Bescheid wissen und rechtzeitig mit der Behandlung beginnen, profitieren heute wesentlich stärker von den verbesserten Behandlungsmöglichkeiten.
Wir starteten deshalb 2011 in Zusammenarbeit mit der AIDS-Beratung im Gesundheitsamt „Talk & Test“. Einmal pro Woche können sich Männer, die Sex mit Männern haben, bei uns im Ehlentruper Weg zu HIV und anderen sexuell übertragbaren Infektionen beraten lassen und sich gegebenenfalls auf HIV, Syphilis und Hepatitis A, B und C testen lassen.
Das Projekt queer refugees support bietet seit 2016 lesbischen, schwulen, bisexuellen und trans* Geflüchteten Beratung zu asyl- und sozialrechtlichen Fragen, Unterstützung im Coming-Out sowie Austausch und Vernetzung mit anderen qeeren Geflüchteten in der Selbsthilfegruppe.
Seit 2019 steht das Netzwerk PRADI NRW (PRävention AntiDiskriminierung Integration) schwulen Männern* mit Migrationshintergrund und anderen Männern*, die Sex mit Männern* haben, zur Verfügung. Hier können Fragen zu den Themen rund um sexuelle Gesundheit, Coming-Out und Diskriminierungserfahrungen gestellt werden. Ebenfalls bietet PRADI die kostenlose und anonyme Beratung und Unterstützung zu Themen in Bezug auf Asylverfahren und Integration in Deutschland an.
Trotz aller Fortschritte sind (queere) Menschen mit und ohne HIV und Aids immer noch von (Mehrfach-)Diskriminierung bedroht. Der Kampf gegen Stigmatisierung und für Solidarität bleibt deshalb auch heute eine zentrale Aufgabe für uns.
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